„Wir Menschen müssen nicht überall hin“ – Gespräch mit Brigitte Wallkam vom BUND
Im Gespräch mit Brigitte Wallkam über die Arbeit des BUND in Friedrichshafen, den Erhalt der Streuobstwiesen und die Konflikte zwischen Menschen und Natur.
Ich habe mich mit Frau Wallkam zu einem Spaziergang am Bodenseeufer in Manzell verabredet. Schon nach ein paar Metern kommen wir zu einem Menschen gemachten Problem. Durch Baumfällungen in der Nähe der Zeppelin Universität ist das Waldstück unterhalb der Gürtelbahn nun jedem Sturm ausgesetzt und zahlreiche wunderschöne alte Bäume, auch viele Buchen, sind umgefallen.
Seit wann gibt es die Ortsgruppe Friedrichshafen und wie viele Mitglieder hat sie?
Unsere Ortsverband gibt es seit 1975. Seit den 2000ern sind wir gewachsen und haben heute ca. 500 Mitglieder.
Es gibt viele Projekte, in denen Sie sich engagieren. Beschreiben Sie doch mal kurz Ihr Engagement.
Wir sind neben unseren Pflegearbeiten in Feuchtgebieten und einer Streuobstwiese vor allem auch kommunalpolitisch tätig. Wir sichten Bebauungspläne, wir schreiben Stellungnahmen oder wir bilden eine Aktionsgruppe und sammeln Unterstützer, falls es um die Durchsetzung von Interessen für den Artenschutz und Naturschutz geht.
Generell ist die Bebauung ein großes Thema. Irgendwann muss man überlegen, was will ich für eine Stadt? Will ich eine immer weiterwachsende, ausufernde Stadt, auch wenn sie nicht mehr in die Breite, sondern in die Höhe wächst? Ein „weiter so“ ist keine politische Entscheidung.
Was ist derzeit Ihr größtes Sorgenkind?
Das sogenannte „Zukunftsquartier Fallenbrunnen“ auf dem ehemaligen Kasernengelände. Dort sollen zwei Wohngebiete für zusammen etwa 800 Menschen und ein Gewerbegebiet entstehen. Wenn das Vorhaben so umgesetzt würde, wären 51 Vogelarten und 11 Fledermausarten gefährdet. Alle Fledermausarten sind streng geschützt, 11 Vogelarten, die dort leben, stehen auf der Roten Liste.
Das heißt, dort werden Bäume gefällt?
Im Fallenbrunnen wird wenig gerodet, aber die vielen Menschen sind das Problem, die dort hinziehen sollen. Viele Menschen bedeuten Lichtverschmutzung, Lärm, Verkehr, Haustiere – das ist dann einfach eine Wohngegend und die Vögel und Fledermäuse werden weniger Lebensraum haben. Gewerbeflächen sind weniger problematisch, weil es dort nachts dunkel und leise wäre.
Wandern ist grundsätzlich eine schonende Art der Landschaftsnutzung. Worauf sollten wir Wanderer hier in Friedrichshafen und in der Bodenseeregion besonders achten?
Da sind zwei Aspekte wichtig: Wie kommt der Mensch zum Wandergebiet und wie verhält er sich dort. Idealerweise fährt man mit dem ÖPNV zum Wandern und insgesamt plädiere ich dafür, dass man sich als Mensch etwas zurückhält. Wir Menschen müssen nicht überall hin.
Das gilt wahrscheinlich auch für die Uferbereiche?
Es gibt nur noch wenige geschützte und ruhige Uferbereiche. Zum Beispiel ein Stück zwischen der Zeppelin Uni und der MTU. Obwohl dort zwei Verbotsschilder stehen und wir Heckenschnitt als Sperre aufgeschichtet haben, gibt es immer wieder Menschen, die trotzdem dieses Stück betreten. Es ist wichtig, dass man Absperrungen beachtet, auch wenn der Zaun ein Loch hat. Spaziergänger und Wanderer sollten auf den Wegen bleiben und nicht unnötig querbeet laufen.
Die Bodenseeregion ist eine große Region, auch vor allem der Tourismus beschränkt sich nicht nur auf einzelne Orte oder Teilregionen. Gibt es eine Zusammenarbeit mit anderen Ortsgruppen?
Der BUND ist basisdemokratische organisiert. Jede Ortsgruppe entscheidet selber, welche Projekte sie angeht. Auch abhängig davon, welche Kompetenzen die Mitglieder haben. Aber die Zusammenarbeit könnte besser sein, auch das Thema Tourismus haben wir bisher leider noch nicht bearbeitet. Nur eine Klage des BUND gegen einen konkreten Hotelbau in Friedrichshafen ist noch anhängig.
Alte Streuobstwiesen sind für die Attraktivität von Wanderwegen sehr wichtig. (Wer möchte denn stundenlang durch Plantagen laufen?) Die Obstbauern am Bodensee befinden sich in einer schwierigen Konkurrenzsituation und der wirtschaftliche Druck ist groß. Mit welchen Argumenten überzeugen Sie einen Bodensee-Obstbauer davon, seine alte Streuobstwiese zu erhalten?
Ich würde die ökologischen Gründe anführen. Streuobstwiesen gehören zu den artenreichsten Lebensräumen in Mitteleuropa. Die Mischung aus Wiese und Bäumen bilden eine Art Savanne. Hier kommen zwei Lebensräume zusammen, von denen jeder seine Bewohner mitbringt. Ähnliches gilt für Waldränder, Hecken und andere Stellen, an denen verschiedene Landschaften zusammenstoßen, sie sind jeweils „Hotspots“ für Artenvielfalt.
Aber das wird den Bauern nicht überzeugen…
Wir müssten dahin kommen, dass sich Streuobstwiesen wieder lohnen. Sie machen viel Arbeit. Hochstamm-Obstbäume können nicht maschinell bearbeitet werden. Der Bodenseekreis und auch die Stadt Friedrichshafen haben je ein Förderprogramm für Streuobstwiesen. Dieses Programm stellt finanzielle Mittel für den Schnitt der Bäume bereit. Allerdings um den Rest muss sich der Besitzer trotzdem kümmern. Der Absatz von Streuobst ist ein Problem. Aufgrund der vielen Handarbeit wäre Streuobst fast nicht bezahlbar, würden die Besitzer einen normalen Arbeitslohn bekommen. Als kleine Entschädigung gibt es aber zum Beispiel ein Streuobstwiesen-Apfelsaftprojekt im Landkreis Ravensburg. Die Bauern bekommen für die Streuobstäpfel etwas mehr Geld. Dieser Streuobstapfelsaft ist auch in einigen Geschäften in Friedrichshafen erhältlich, mit dem Kauf unterstützt man den Erhalt von Streuobstwiesen.
Sie haben aber dieses Jahr auch ein Streuobst-Projekt…
Ja, wir haben in diesem Jahr das Projekt „Äpfel für Allergiker“ ins Leben gerufen. Obst von alten Sorten ist besonders gut für Allergiker geeignet. Wenn das noch breiter bekannt wäre, dann könnte man das Streuobst vielleicht gezielter vermarkten. Unsere Idee war, dass wir Bauern dabei unterstützen, durch einen Pomologen, die Obstsorten auf ihren Wiesen zu bestimmen. Anschließend könnte man diese alten Sorten gezielter an Allergiker vermarkten. Leider war die Resonanz nicht groß. Wir werden das Projekt nächstes Jahr nochmals in Angriff nehmen.
Dann wünsche ich Ihnen für die weitere Arbeit und alle Projekte viel Erfolg!
Ich möchte die Arbeit des BUND in Friedrichshafen unterstützen und spende je Wander-Teilnehmer 1 EURO.
Weitere Informationen über die Arbeit des Bund finden Sie auf der Webseite des Ortsvereins.
Wandern und Spenden
Wandern ist mehr als viele andere Bewegungsarten von einer intakten Natur abhängig. Von daher ist uns Wanderführern der Naturschutz wichtig. Der BUND Friedrichshafen setzt sich seit 30 Jahren für den Schutz der Natur in Friedrichshafen ein. Um die Arbeit der Ortsgruppe zu unterstützen, spende ich 1 Euro je Teilnehmer an den BUND. Vielen Dank, dass Du mit Deiner Teilnahme etwas für den Naturschutz hier am Bodensee tust. Mehr über die Arbeit des BUND Friedrichshafen
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